Ein trüber Montagmorgen in Graz. Nicht ahnend, welches Unheil sich über mir zusammenbraut, fahre ich zu einer Freundin, um ihr 7 x 12 Flaschen Murauer Bier zuzustellen, die es nämlich vorige Woche beim Interspar im Angebot… Egal, ich merke, dass ich abschweife, denn es ist schmerzhaft, das Erlebte jetzt noch einmal aus den Tiefen des Unterbewusstseins zu holen.
Schwungvoll fahre ich also im Retourgang in die Einfahrt, als ein Geräusch, das im Sinne einer lautmalerischen Nachvollziehbarkeit hier einfach als „Kläscher“ beschrieben sein muss, mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Ich blicke nach links und sehe sie da stehen in ihrer ganzen schmucklosen grauen Hässlichkeit.

Meines Wissens nach ist das Thema noch vollkommen unerforscht, aber vielleicht dienen meine Überlegungen jetzt ja als kleiner Anreiz für eine Bachelorarbeit an einer Fachhochschule. Denn eigentlich betrifft es – fast – ALLE von uns. Wer noch nie friedlich im Auto sitzend aus dem Hinterhalt von einer aggressiven Säule attackiert wurde, möge sich bitte bei mir melden. Danke.
Es ist mir schon das dritte oder vierte Mal passiert und das ist doch Anlass genug darüber zu sinnieren, warum scheinbar statische, üblicherweise durchaus nützliche Bauelemente Aggressionsschübe bekommen, die sie an Autos auslassen. Rückspiegel abreißen. Ganze Seitenfronten zerkratzen. Stoßstangen demolieren. Schäden verursachen, die richtig teuer sein können. Und dann so einfach dastehen, als ob nichts gewesen wäre, damit man sich letztendlich auch noch vorwerfen lassen muss, nicht Autofahren zu können. Aber diesmal habe ich eine Zeugin! Dagi saß neben mir, sie hat alles live miterlebt.
Jedes notorische Fehlverhalten hat eine Ursache. Wobei wir hier ja nicht von immer ein und derselben Säule sprechen, sondern quasi von einem weltweit beobachtbaren Muster. Die Ursache liegt m.E. im kollektiven Säulen-Gedächtnis, denn der Mensch hat ihnen ihre Würde genommen. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit waren sie liebevoll gestaltete Stilelemente, sogar mit Namen ausgezeichnet – dorisch, ionisch, korinthisch… Und heute? Kennt jemand noch eine Säule mit geschlossenem Papyrusbündel-Kapitell? Nein? Seht Ihr! Heute sind sie im besten Fall wenigstens nicht mit grauenhaften Graffits versehen. Das ist ein bissi wenig an Würde, die geblieben ist, nach einer jahrtausendelangen Tradition der liebevollen Gestaltung, oder? Da kann man schon mal aggressiv werden! Daher mein Appell an alle aktuellen und zukünftigen ArchitektInnen: nehmt Euch der Säuen an, gebt ihnen um der AutofahrerInn willen ihre Würde zurück, BITTE! Und – sind wir uns ehrlich – schöner für`s Auge wäre es ja auch. Stellt Euch das mal vor, korinthische Säulen in Tiefgaragen. Ahhhhh…..