3. Fensterl: Die erste Kerze brennt.

Der 24. Dezember fällt heuer auf den 4. Adventsonntag. Ein kürzerer Advent ist nicht möglich, weshalb ich bereits vor zwei Wochen, also Mitte November Werbung mit der dringenden Aufforderung erhielt, mich um meine „Last Minute Weihnachtsgeschenke“ zu kümmern. Das hilft mir bei meiner Suche nach dem Zauber auch nicht wirklich weiter, weckt allerdings größtes Bedauern mit der Wirtschaft. Wie bitte soll sie wachsen, wenn man dem Weihnachtsgeschäft eine volle Woche stiehlt?
Aber ich schweife schon wieder vom Blog-Thema ab. Daher werde ich alle meine Vorschläge, wie die fehlenden Ladenöffnungszeitenstunden sinnvoll kompensierbar wären, hintan stellen und mich meinem zentralen alljährlich mit dem ersten Advent wiederkehrenden Problem beschäftigen, das eigentlich durchaus ein zauberhaftes ist.

Seit ungefähr 30 Jahren – also seit ich beschloss, meine eigenen Kekse zu backen – gibt es jeweils knapp vor dem 1. Adventsonntag ein zuverlässig wiederkehrendes Telefonat ähnlichen Inhalts. Üblicherweise bin ich die Anruferin.

1987 klang das so:
Ich: „Hallo Mutti, wie geht´s? Hast Du schon was gebacken?“
Mutti: „Ja, das Kletzenbrot ist schon fertig, die Hausfreunde sind im Rohr.“
Ich: „Ich brauch Hilfe bei der Schokoladewurst. Die zerbröselt schon wieder.“
Mutti: „Was hast du für eine Schokolade genommen?“
Ich: „Manner“
Mutti: „Die geht nicht, Suchard ist besser. Wieso backst du überhaupt Kekse? Mach endlich dein Studium fertig!“

1997:
Ich: „Hallo Mutti, wie geht´s? Hast Du schon was gebacken?“
Mutti: „Ja, das Kletzenbrot ist schon fertig, die Hausfreunde sind im Rohr.“
Ich: „Meine Schokoladewurst ist schon wieder eine Katastrophe. Nur Brösel.“
Mutti: „Ich ärgere mich auch grad damit herum.“
Ich: „Was hast du für eine Schokolade genommen?“
Mutti: „Manner.“
Ich: „Die geht doch nicht. Aber vielleicht liegt´s ja an der Butter. SEBASTIAN UND GEORG, HÖRT SOFORT DAMIT AUF, ICH ZÄHLE BIS DREI… Mutti, ich ruf dich gleich noch mal an, die bringen sich gerade um…
20 Minuten später:
Ich: „So, jetzt hab ich sie vor den Fernseher gesetzt. Warum hatte ich dich angerufen?“
Mutti: „Wegen der Schokoladewurst!“
Ich: „Ach, vergiss es.“

2007:
Ich: „Hallo Mutti, wie geht´s? Hast du das Kletzenbrot schon fertig?“
Mutti: „Ja, freilich. Was ist heuer mit deiner Schokoladewurst?“
Ich: „Brösel, wie immer, sie lässt sich ganz schlecht schneiden.“
Mutti: „Hast du wieder die Hofer-Schokolade genommen? Dann ist´s kein Wunder.“
Ich: „Daran kann es nicht liegen. Vielleicht ist das Mehl falsch.“
Mutti: „Aber wir nehmen ja immer Farina Universal.“
Ich: „Ja eh. Vielleicht probieren wir einmal eine andere Sorte.“
Mutti: „Gute Idee, nächstes Jahr dann. Wie geht´s den Kindern?“
Ich:(Zensur. Sie waren beide in der Pubertät.)

Gestern:
Ich: „Hallo Mamsch. Wie geht´s? Sag, wie machst du das bei der Schokoladewurst? Nimmst du den Mixer?“
Mutti: „Ja, du musst die Butter ganz schaumig rühren. Und nimm ja keine Sommerbutter, die ist zu weich, nimm die billigste, die du kriegen kannst. Was hast du für eine Schokolade?“
Ich: „Manner.“
Mutti: „Die vom Spar ist gut! Aber vielleicht liegt es ja doch am Mehl. Wie geht´s den Kindern?“
Ich: „Gut, glaube ich.“

Heute bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass das Rezept – es stammt von meiner Großmutter und daran zu rütteln, ist eigentlich undenkbar – nicht stimmen kann und habe begonnen, herumzuexperimentieren. Ein zusätzliches Ei, weniger Butter, wieder ein anderes Mehl. Es hätte funktionieren können, aber eigentlich will ich gar nicht, dass es funktioniert. Denn ich liebe die alljährlichen Butter-, Schokolade- und Mehldiskussionen mit meiner Mutter über alles. Sie gehören zum ersten Advent dazu, sind ein Teil des Zaubers!

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