4. Fensterl: Neues Wort gefällig?

Eigentlich sollte ich heute wohl über eine dem Vernehmen nach kluge und wunderschöne junge Frau schreiben, die vor langer Zeit für ihren Glauben verfolgt, geschlagen, eingesperrt und letztendlich enthauptet wurde. Durch ihren eigenen Vater (der dann zwar vom Blitz getroffen wurde, aber das ist auch kein Trost)! Es ließe sich ein feiner Bogen spannen in unsere Gegenwart, über Rückgrat könnten wir philosophieren, über Toleranz und Nonkonformität. Aber dann würdet Ihr mich mit Recht fragen, wo denn da bitteschön der Zauber bleibt?

Barbara von Nikomedien wurde gerade einmal 33 Jahre alt, sie starb 306 n.Chr. in der Türkei, es könnte auch im Libanon gewesen sein, aber für uns spielt das keine Rolle. Denn ich überspringe jetzt ganz einfach 1700 Jahre und frage mich, welche Spuren eine Frau wie sie in unserem Alltag hinterlassen hat. Da wäre zuerst einmal ihr Name zu nennen, der in der österreichischen Statistik zwischen Michaela und Isabella auf dem soliden 41 Platz zu finden ist. Auf die Schnelle fallen mir drei Barbaras (Alles Gute zum Namenstag!) in meinem näheren Umfeld ein. Interessant ist, dass es kein männliches Pendent gibt, denn unser türkisches Mädel ist heute hauptsächlich in männerdominierten Branchen präsent. Sie kümmert sich um Architekten, Feuerwehrleute, Fleischhauer, Glockengießer, Totengäber, Buchhändler und Gefangene. Zusätzlich zu diesem allgemeinen branchenübergreifenden Schutzheiligen-Job, würde heute in Barbaras Arbeitsplatzbeschreibung stehen, dass die Bauern sie bei Gewittern anrufen dürfen, sie ein Auge auf alle Mädchen haben und für Sterbende da sein muss.
Auch Büchsen- und Hutmacher gehören zu ihrer Klientel, ganz abgesehen von Bergleuten und Artilleristen.

So kommt es, dass – ich wiederhole mich jetzt – nach 1700 Jahren die TU-Graz eine Barbarafeier veranstaltet, die Karl-Franzens-Universität Graz auch und die Montanuni in Leoben sowieso. Sie gibt ihren Namen unzähligen Tunneln und Stollen, dabei sind Frauen dort ja wirklich nicht besonders willkommen. Freundlich ausgedrückt. Versteh einer die Männer. Und das finde ich irgendwie schon zauberhaft, wie diese Frau die Mannsbilder im Griff hat, so über die Jahrhunderte gesehen.

Im Titel habe ich ein neues Wort versprochen. Nicht einmal Google schlägt es vor: Orakelbrauchtum. Die Barbarazweige, die ich heute am Platz gekauft habe, also frisch geschnittene Kirschzweige, sollten zu Weihnachten blühen. Dann steht eine Hochzeit ins Haus. Frau kann auch den einzelnen Zweigen die Namen ihrer Verehrer zuweisen und dann schaun, welcher Zweig als erster erblüht. Über die Anzahl der Blüten können Bauern ihre Ernteerträge hochrechnen und auch für sonstige Prognosen sind die Zweige einsetzbar.

Über den Fortgang meiner Barbarazweig-Entwicklung werde ich Euch am Laufenden halten! Wobei ich mein Orakel natürlich nicht verrate, in diesem Fall würde es nämlich sicherlich nicht funktionieren. Und das riskiere ich – bei aller Wertschätzung – lieber nicht!

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