Jan

Wir lernen uns im Restaurant des Campingplatzes von Calafell kennen. Was ich dort zu suchen hatte? Es gibt eine kleine Wäscherei, 4 Maschinen und Trockner, davor ein gemütliches Bankerl und jede Menge Studienobjekte, die vorbeistolzieren, -flanierenso, -hetzen, plärrende Kleinkinder hinter sich nachschleppen, kurz: so ein ein Campingplatz ist für außenstehende Besucher ziemlich unterhaltsam.

Gerade als ich zufrieden meine fertige Wäsche im Rucksack verstaut habe, öffnet der Himmel seine Schleusen (praktisch out of the blue) und es beginnt zu schütten. Ich flüchte zum Abwettern ins Restaurant und dort sitzt Jan. Er feiert den Erhalt seines Auges, das er sich bei einem Sportunfall zwei Tage vorher schwer verletzt hatte. Zu zweit feiert es sich lustiger, daher lädt er mich auf ein Glas Wein ein und lässt mich auch das hinter einer dunklen Brille verborgene, frisch geflickte Auge bewundern. Ich bin beeindruckt und so beginnt eine weitere angenehme Reisebekanntschaft.

Jan ist mit seinem Wohnmobil samt Fahrrad für sechs Wochen in Südeuropa unterwegs, obwohl auch er noch – gleich wie ich – mitten im Berufsleben steht. Wie das möglich ist, wo er doch ein eigenes Unternehmen besitzt? 17 MitarbeiterInnen, eine technische Produktionsfirma, da kann der Chef doch nicht einfach für fast zwei Monate verschwinden, oder? Und im Winter treibt er sich mit großer Begeisterung wochenlang auf österreichischen Skipisten herum. Jan erzählt mir von seiner Art, ein Unternehmen zu führen, wir unterhalten uns sehr lange, denn dieses Thema interessiert mich natürlich auch aus Coaching-Sicht.

Hier also Jans Geschichte.

Er war 50 und Besitzer von insgesamt sechs erfolgreichen Firmen, als er beschloss, nicht mehr „alles selbst“ machen zu wollen. Schritt für Schritt nahm er sich aus dem nervigen, zeitraubenden, operativen Tagesgeschäft heraus und zog sich auf eine Art Metaebene zurück. Er suchte und fand Menschen, denen er vertrauen konnte und übergab ihnen die Leitungsagenden. Nur in einem Unternehmen ist Jan noch aktiv tätig, die anderen laufen ohne seine Einmischung, er ist Investor und Berater – wenn er gerufen wird.

Und was ist mit Firma Nummer 6, frage ich ihn, wie gestaltest Du dort?

Wir spazieren gerade die Strandpromenade entlang und er lässt sich Zeit mit seiner Antwort. Als er dann spricht, höre ich Stolz und Zufriedenheit. „Zuerst einmal zahle ich sehr gute Gehälter, das ist wichtig, aber noch viel wichtiger ist das Zugehörigkeitsgefühl. Ich habe immer auch einige Leute im Außendienst, aber alle, die da sind, kommenden jeden Tag um 10 Uhr zu einer gemeinsamen Kaffeepause zusammen. 15, 20 Minuten. Zu Mittag treffen wir uns zum Essen, ich habe eine Küche eingerichtet, in der wir unsere Mahlzeiten richten. Am Nachmittag gibt es noch einmal eine kleine Kaffeepause. So sehen wir uns oft und haben eine gute Kommunikation untereinander. Und am Freitag um 16 Uhr ist Wochenabschlusstreffen in der Kneipe.“

Diese Kneipe sieht aus wie eine gemütliche Hausbar, und ist Teil des Firmengeländes. Alle kommen, sagt er, oft auch die Ehefrauen oder -männer, auf ein, zwei Bier oder ein Glas Wein. Es ist ein festes Ritual!

Er hat im Haus auch ein Fitnessstudio eingerichtet und seinen MitarbeiterInnen zwei Stunden Dienstzeit pro Woche zur Benutzung gestattet. Außerhalb der Arbeitszeit können sie natürlich bleiben, solange sie wollen. Alle haben einen Schlüssel. In Schuss gehalten wird der Betrieb von einer Reinigungsfrau, die mit 16 Stunden pro Woche angestellt ist.

Fluktuation? Gibt es praktisch nicht und wen wundert’s? Die Aufgaben sind auch so verteilt, dass jeder – auch Jan – ersetzbar ist. Womit meine Frage nach seinen langen Urlauben ausreichend beantwortet ist. Sein Modell funktioniert seit acht Jahren, es hat ein bissl gedauert, bis alles reibungslos lief, aber nach ca. drei Jahren war alles eingespielt.

Und wie ist seine berufliche Perspektive?
Jan wird arbeiten, solange er noch Freude daran hat, die Nachfolge ist aber bereits jetzt klar geregelt. Geld hat er genug, und gerade sagt er “Es ist doch super, zu Leben!“ Ich sehe ihn an und glaube ihm. Schön.

4 Antworten auf „Jan“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert