Naheliegend.

Seit Tagen warte ich darauf, dass mich jemand von Euch in Bezug auf DAS brennende Thema des Landes fragt, warum ich dazu noch nichts geschrieben habe.

Ganz einfach: weil ich bisher nichts zu sagen hatte. Man sieht hier ein paar Fahnen aus Fenstern hängen und der Bürgermeister von Calafell äußert sich auf der Gemeinde-Website erbost über die Verhaftungen in Madrid. Aber heute hatte ich endlich Gelegenheiten, über das Referendum zu sprechen. Mein schönes Ohrenspitzen-Schnauzehalten-Motto erwies sich nämlich aus sprachlichen Gründen bisher als nicht sehr zielführend.

Die Frau, nennen wir sie Tina, ist Bulgarin und mit einem Türken verheiratet. Beide haben technische Studien absolviert, sie arbeiten seit 5 Jahren für internationale Konzerne in Barcelona. Ich befrage sie aus egoistischen Gründen zunächst zur Lage in der katalanischen Metropole. Tina erklärt mir, dass ihr Büro sehr zentral in der Nähe des Hafens liegt und dort alles sehr ruhig sei. Bis auf die vielen Touristen, aber das sei immer gleich lebendig, 23 Mio pro Jahr überschwemmen die Stadt. Arbeitskollegen haben ihr allerdings erzählt, dass die Studierenden die Universität besetzt haben, alles sei friedlich, die jungen Leute sitzen am Boden und singen. Tina meint, die spanische Polizei würde sich hüten, gegen friedliche Demonstranten vorzugehen. Ihrer Meinung nach hat das Referendum keine Chance, es würden hier zu viele stimmberechtigte Nicht-Katalanen leben. Sie persönlich versteht zwar die Motive der Separatisten, aber für Ihr Unternehmen wäre die spanische Einheit besser. Für den Tag des Referendums wird die Firma ihren MitarbeiterInnen Home Office genehmigen. Woraus ich wiederum schließe, dass mit Zusammenstößen durchaus gerechnet wird.
Und gerade lese ich auf orf.at, dass die Zentralregierung in Madrid die Kontrolle über die regionale Polizei übernommen hat 🙁

Ich werde auf jeden Fall in den nächsten Tagen versuchen, noch ein paar Meinungen einzuholen.

Wochenmarkt à la Sabine

Seht Ihr hier irgendwo Marktstandln? Nein? Ich auch nicht. D.h., ich habe irgend etwas falsch verstanden. Dienstag und Freitag, so stand es geschrieben. Vielleicht habe ich heute mehr Glück.

Eine Entscheidung von enormer Tragweite

Nach knapp einer Woche der absoluten Beschaulichkeit unter der milden Spätsommersonne Kataloniens verlieren die großen Fragen des Lebens zunehmend an Bedeutung. Wie kann ich die Welt retten, brauche ich ein neues Auto, Haus, Golfset oder gar eine neue Staatsbürgerschaft oder Frisur?

Nichts dergleichen interessiert mich mehr, nur EINE Entscheidung galt es gestern zu treffen, diese allerdings von solcher Relevanz, dass ich den ganzen Tag gebraucht habe, um in der Stunde der Wahrheit gut gerüstet zu sein.

Nach einem ausgiebigem Schönheitsschlaf, einem luxuriösen Frühstück, einer weiteren ausgedehnten Rast unter Palmen, einem kleinem Imbiss samt Kaffee und Kuchen sowie einem stärkenden Nachmittagsschläfchen machte ich mich auf den Weg ins Dorf, um die Frage aller Fragen ein für allemal zu klären: Was gibt’s zum Abendessen?

Vielleicht etwas Geflügel?

Vor allem diese Winzlinge mittig oben im Bild gefallen mir gut. Gebratene Täubchen wären etwas Besonderes. Aber was, wenn das gar keine Tauben sind, sondern putzige kleine Singvögel?

Fluchtartig wechsle ich das Genre und widme mich dem Studim der prachtvollen Schinkenstücke.

Sehr schön, aber nichts für meinen Single-Rucksack-Haushalt.

Ein paar Meter weiter naht Rettung in Form von handlicheren Möglichkeiten.

Da liegen sie eingespannt, verlockend und duftend, als hätten sie nur auf mich gewartet.

Aber halt, noch etwas riecht hier ganz ausgezeichnet. Ich drehe mich um und bin plötzlich ganz froh, diesen beiden Genossen nicht unter Wasser begegnet zu sein.

Sorry, aber ich kann niemanden essen, der mich so böse anschaut. Hier gibt es therapeutischen Handlungsbedarf, aber darum kümmere ich mich in Graz.

Es gibt ja auch freundlichere Alternativen!

Also was jetzt? Geflügel, Fleisch oder Fisch? Das erfordert eine Grundsatzentscheidung, die ich durch einen Blick nach rechts noch ein bissl hinauszögern kann. Bis die Erkenntnis dämmert, dass Pizza ohne Backrohr echt nicht so einfach zuzubereiten ist.
Aber die Auswahl und die Art der Präsentation ist originell. Außerdem habe ich noch nie Pizza aus dem Supermarkt gegessen, da brauche ich nicht ausgerechnet in Spanien damit zu beginnen.

Ich merke, wie meine Kräfte schwinden. Geflügel, Fleisch oder Fisch? Geflügel, Fleisch oder Fisch? Getrieben von diesem Mantra der ungesunden Art jage ich im Kreis herum, mit leerem Korb und ebensolchem Magen.

Da! Mein Deus ex machina, die salomonische Lösung!

Ich esse Obst und aus. Heute ist großer Markt in Calafell, schaun wir doch einfach, was er zu bieten hat 🙂

Jan

Wir lernen uns im Restaurant des Campingplatzes von Calafell kennen. Was ich dort zu suchen hatte? Es gibt eine kleine Wäscherei, 4 Maschinen und Trockner, davor ein gemütliches Bankerl und jede Menge Studienobjekte, die vorbeistolzieren, -flanierenso, -hetzen, plärrende Kleinkinder hinter sich nachschleppen, kurz: so ein ein Campingplatz ist für außenstehende Besucher ziemlich unterhaltsam.

Gerade als ich zufrieden meine fertige Wäsche im Rucksack verstaut habe, öffnet der Himmel seine Schleusen (praktisch out of the blue) und es beginnt zu schütten. Ich flüchte zum Abwettern ins Restaurant und dort sitzt Jan. Er feiert den Erhalt seines Auges, das er sich bei einem Sportunfall zwei Tage vorher schwer verletzt hatte. Zu zweit feiert es sich lustiger, daher lädt er mich auf ein Glas Wein ein und lässt mich auch das hinter einer dunklen Brille verborgene, frisch geflickte Auge bewundern. Ich bin beeindruckt und so beginnt eine weitere angenehme Reisebekanntschaft.

Jan ist mit seinem Wohnmobil samt Fahrrad für sechs Wochen in Südeuropa unterwegs, obwohl auch er noch – gleich wie ich – mitten im Berufsleben steht. Wie das möglich ist, wo er doch ein eigenes Unternehmen besitzt? 17 MitarbeiterInnen, eine technische Produktionsfirma, da kann der Chef doch nicht einfach für fast zwei Monate verschwinden, oder? Und im Winter treibt er sich mit großer Begeisterung wochenlang auf österreichischen Skipisten herum. Jan erzählt mir von seiner Art, ein Unternehmen zu führen, wir unterhalten uns sehr lange, denn dieses Thema interessiert mich natürlich auch aus Coaching-Sicht.

Hier also Jans Geschichte.

Er war 50 und Besitzer von insgesamt sechs erfolgreichen Firmen, als er beschloss, nicht mehr „alles selbst“ machen zu wollen. Schritt für Schritt nahm er sich aus dem nervigen, zeitraubenden, operativen Tagesgeschäft heraus und zog sich auf eine Art Metaebene zurück. Er suchte und fand Menschen, denen er vertrauen konnte und übergab ihnen die Leitungsagenden. Nur in einem Unternehmen ist Jan noch aktiv tätig, die anderen laufen ohne seine Einmischung, er ist Investor und Berater – wenn er gerufen wird.

Und was ist mit Firma Nummer 6, frage ich ihn, wie gestaltest Du dort?

Wir spazieren gerade die Strandpromenade entlang und er lässt sich Zeit mit seiner Antwort. Als er dann spricht, höre ich Stolz und Zufriedenheit. „Zuerst einmal zahle ich sehr gute Gehälter, das ist wichtig, aber noch viel wichtiger ist das Zugehörigkeitsgefühl. Ich habe immer auch einige Leute im Außendienst, aber alle, die da sind, kommenden jeden Tag um 10 Uhr zu einer gemeinsamen Kaffeepause zusammen. 15, 20 Minuten. Zu Mittag treffen wir uns zum Essen, ich habe eine Küche eingerichtet, in der wir unsere Mahlzeiten richten. Am Nachmittag gibt es noch einmal eine kleine Kaffeepause. So sehen wir uns oft und haben eine gute Kommunikation untereinander. Und am Freitag um 16 Uhr ist Wochenabschlusstreffen in der Kneipe.“

Diese Kneipe sieht aus wie eine gemütliche Hausbar, und ist Teil des Firmengeländes. Alle kommen, sagt er, oft auch die Ehefrauen oder -männer, auf ein, zwei Bier oder ein Glas Wein. Es ist ein festes Ritual!

Er hat im Haus auch ein Fitnessstudio eingerichtet und seinen MitarbeiterInnen zwei Stunden Dienstzeit pro Woche zur Benutzung gestattet. Außerhalb der Arbeitszeit können sie natürlich bleiben, solange sie wollen. Alle haben einen Schlüssel. In Schuss gehalten wird der Betrieb von einer Reinigungsfrau, die mit 16 Stunden pro Woche angestellt ist.

Fluktuation? Gibt es praktisch nicht und wen wundert’s? Die Aufgaben sind auch so verteilt, dass jeder – auch Jan – ersetzbar ist. Womit meine Frage nach seinen langen Urlauben ausreichend beantwortet ist. Sein Modell funktioniert seit acht Jahren, es hat ein bissl gedauert, bis alles reibungslos lief, aber nach ca. drei Jahren war alles eingespielt.

Und wie ist seine berufliche Perspektive?
Jan wird arbeiten, solange er noch Freude daran hat, die Nachfolge ist aber bereits jetzt klar geregelt. Geld hat er genug, und gerade sagt er “Es ist doch super, zu Leben!“ Ich sehe ihn an und glaube ihm. Schön.

Meine tägliche Morgenrunde!

Wie versprochen nehme ich Euch heute mit auf meine Runde! Das zahlt sich aus, denn ich habe mich hier für 14 Tage häuslich niedergelassen 🙂

Mein Garten ist klein, aber für mich passt’s genau.

Es geht ein ziemliches Stück bergauf, wobei sich auch der Blick zurück durchaus lohnt.

Nach ca. 25 Minuten sind wir oben angelangt. Leider gibt es keinen richtig schönen Gesamtblick auf das Castell, dafür ist die Aussicht umso besser.

So, jetzt geht es wieder bergab, diesmal durch die Gässchen der Altstadt.

Am Fuß des Burghügels beginnt eine breite Allee, die fast bis zum Meer führt.

Mittlerweile sind wir schon eine Dreiviertelstunde unterwegs und haben uns einen Kaffee verdient.

Das Meer ist natürlich auch da. In die eine genauso wie in die andere Richtung.

Nach Hause spaziere ich der Promenade entlang.

Und das ist das Ende des Strandes von Calafell, gleichzeitig auch „mein“ Platzerl. Die Saison ist vorbei, die Strandbar seit gestern geschlossen und nur noch wenige verrückte Touristen wagen sich bei eisigen 25 Grad an den Strand, derweilen sich die Einheimischen in Daunenjacken hüllen.

Jetzt noch zurück hinauf zu meinem Appartement und nach ungefähr 2 Stunden darf ich dann endlich frühstücken!

07.00 Uhr in Calafell

Es ist noch sehr dunkel draußen, aber der doch schon leicht verblassende Sternenhimmel verspricht einen schönen Tag.

Blick in meinen Garten

Ich trinke nur meinen Kaffee aus, dann nehme ich Euch mit auf einen Morgenspaziergang zum Castell und zum Strand!

Hoj Calafell

Dem Chefredakteur der Bezirkszeitung von Calafell „Hoj Calafell“, Antonio Diaz, ist es gelungen, einen der begehrten und raren Interviewtermine mit der österreichischen Reise-Bloggerin Sabine Göritzer zu bekommen. Sie treffen sich am frühen Vormittag in einer kleinen Bar an der Strandpromenade.

Antonio Diaz: Sie waren in Hamburg, Büsum, Albersdorf samt Wacken, Kortgene, Quiberon, Nizza, Arezzo, Lucca, Rom und Barcelona. Warum haben Sie sich jetzt ausgerechnet für Calafell entschieden?

Sabine Göritzer: Venedig haben Sie vergessen.

AD: Bitte um Verzeihung!

SG: Schon gut, es ist auch für mich nicht immer einfach, den Überblick zu bewahren. Früher lachte ich immer über amerikanische Touristen, die des Morgens aufwachen und keine Ahnung haben, wo genau in Europa sie sich gerade befinden. Heute kann ich ein bissl verstehen, wie das passieren kann. Und damit komme ich auch schon zur Antwort auf Ihre Frage. Obwohl ich mir nicht sicher bin, dass sie Ihnen gefällt.

AD (lacht): Bitte schonen Sie uns nicht, meine Leserinnen und Leser sind Kummer gewöhnt.

SG: Na dann. Ehrlich gestanden hatte ich vor zwei Tagen noch nicht einmal die geringste Idee von der Existenz dieses Ortes. Ich war von Rom nach Barcelona geflogen und vollkommen übewältigt von den Eindrücken der ersten Hälfte meiner Europatournee. Es gab erste Ermüdungszeichen und die Notwendigkeit einer längeren Pause ließ sich nicht mehr verleugnen.

AD: Wie fiel die Entscheidung für Calafell?

SG: Eigentlich sehr pragmatisch. Ich wollte unbedingt an der Küste bleiben, es sollte nahe zu Barcelona und gleichzeitig ruhig und belebt sein. Überschaubar, aber nicht winzig, mit vielen Möglichkeiten, aber nicht touristisch überlaufen, kurz: Ich suchte die eierlegende Wollmilchsau.

AD: Entschuldigen Sie, aber ich verstehe nicht ganz…

SG: Das macht gar nichts, ist so ein österreichischer Ausdruck für etwas, das alles kann und in Wirklichkeit natürlich nicht existent ist.

AD (leicht verzweifelt): Also warum Calafell?

SG: Könnte ich vielleicht noch ein Glas Wein bekommen?

AD: Selbstverständlich, wenn Sie mir dann bitte nur die Gründe für Ihre Entscheidung verraten!

SG: Sie sind aber ungeduldig, mein Lieber, ich dachte immer, im Süden hätten die Menschen mehr Zeit (lacht und nippt an ihrem Weinglas). Wissen Sie, ich habe gerade genau die Hälfte meiner Reise hinter mir und es ist an der Zeit, dem Erlebten Raum zu geben. Es gab so viele unglaublich schöne, berührende Begegnungen und Erfahrungen, auch mit mir selbst … Apropos, was isst denn der Herr am Nebentisch gerade? Sind das Tapas?

AD (genervt): Ja, das sind Tapas.

SG: Könnten Sie mir auch so etwas bestellen bitte, ich merke gerade, wie hungrig ich bin. Sie dürfen mir nicht soviel Wein geben um diese Zeit!

AD: Aber Sie wollten doch…

SG: Sie sind noch nicht verheiratet, richtig?

AD: Nein, bin ich nicht.

SG: Keine Sorge, das wird schon noch, Sie sind ja noch jung. Obwohl man als Redakteur ja nicht so viel verdient, kann man mit Ihrem Gehalt in Spanien eine Familie ernähren?

AD: Das Leben ist natürlich teuer und viele von uns brauchen zwei Jobs, um gut leben zu … Frau Göritzer! Ich will Sie interviewen und jetzt fragen Sie mich aus!

SG: Alte Bloggerkrankheit, sorry. Wo waren wir gerade stehen geblieben, was war Ihre Frage?

Antonio Diaz bestellt noch eine Flasche Rioja. Der Wirt setzt sich dazu und der Herr mit den Tapas vom Nachbartisch rückt ebenfalls näher. Gemeinsam genießt man die milde Vormittagssonne.

Das Interview wird nie erscheinen, Antonio wird im Oktober seinen Beruf als Redakteur aufgeben und den Fischkutter seines Onkels kaufen. Über das weitere Schicksal von Sabine Göritzer gibt es keine Informationen.

Wo bin ich?

Gestern habe ich der Ewigen Stadt den Rücken gekehrt, luxushippiemäßig stilvoll in der Business-Class. An dieser Stelle ein Dankeschön an die Dame am Check-in, das Upgrade ist mir erst an Bord aufgefallen. Meinen Kaffee musste ich trotzdem, wie alle anderen auch, selber zahlen (2,60€), aber jetzt weiß ich um die Bedeutung des Begriffs „Beinfreiheit“.

Und jetzt bin ich in…

…und auf der Suche nach einem ruhigen, netten Platzerl. D.h., genau gesagt habe ich es eigentlich schon gefunden.