Live von Eurer Rom-Korrespondentin

Zwischenstand meines europäischen Kaffeepreisvergleichs: ich habe noch nirgends mehr als 3 € für einen Cappuccino gezahlt. Auch nicht in Nizza. Den billigsten Espresso gabs hier in Rom mit 80 Cent an der Bar.
Das nachstehend abgebildete köstliche Ensemble belastet meine Reisekassa mit 2,50 €.

Es sieht so aus, als hätte ich ihn ganz für mich alleine.
Die Rom Realität sieht allerdings anders aus. Es ist an der Zeit, den müden Onkel aufzuwecken und die Pferde zu satteln.

Wer gegen den Strom schwimmt

Es ist mir schon einmal passiert, damals beim IKEA. Ich wollte nur geschwind ein paar Kerzen kaufen und bin bei der Kassa hineingegangen. Gegen den Strom. Das war ein Fehler.
Daran musste ich heute denken, als ich im Kolosseum versehentlich in die falsche Richtung abgebogen bin. Plötzlich war ich mit dem Typus „Mensch in Gruppe“ konfrontiert, ein Phänomen, das uns ja eh nicht fremd ist. Trotzdem ist es immer wieder erschreckend, wenn aus wahrscheinlich großteils sogar netten Individuen eine Horde minderbemittelter Trampeltiere wird, die ihrem spitzensonnenschirmbewaffneten Leittier mit stierem Blick hinterhermarschieren und dabei keinerlei Gegenverkehr dulden. Fast wäre ich unter die Sandalen gekommen!

Nach dem holprigen Beginn unserer Beziehung haben Rom und ich heute doch begonnen, uns zu mögen. Ein paar Eindrücke nachstehend, ich denke, es ist jeweils eindeutig, worum es sich handelt :-). Fast alle Fotos sind Kolosseum, Forum Romanum und Paladin. Bis auf eines…

Rom ist anders und ich auch

Daher werden wir beide heute noch einmal von vorne beginnen. Ich hoffe, dass ich morgen von echten Highlights berichten kann und nicht nur von einem unfreiwilligen Autorennen ohne Gegner durch die Römische Nacht vom Flughafen nach Termini. Und nein, ich bin nicht mit dem Flugzeug angekommen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, die ich vielleicht einmal meinen Enkelkindern erzählen werde.

Mein bisher einziges Rom-Foto 🙂

Scusi, can you help me to find Mr. Puccini?

Ich begebe mich auf Spurensuche. Lucca ist ja die Geburtsstadt eines gewissen Herrn Puccini, der wiederum jene Oper komponiert hat, deren Ende für mich das berührendste ist. Mimi stirbt einfach unvergleichlich schön. Daher möchte ich ihrem Schöpfer eine Aufwartung machen (wie altmodisch sich das anfühlt beim Schreiben!)

Gleich ein paar Meter neben meinem Appartement steht ein lorbeerkranzweitwerfender Engel.

“Entschuldigung, kannst Du mir bitte sagen, wo Herr Puccini zu finden ist?“
“Ich hasse Touristen, aus dem Weg mit Dir, wenn Du nicht meinen Lorbeerkranz…“
Ich suche das Weite und höre sein Schimpfen noch hinter der nächsten Ecke.

Auf den Uhrturm könnte ich steigen, von dort hat man sicher einen tollen Überblick:

Also, alles, was recht ist. 207 Stufen und 4 € Eintritt? Nein danke, ich werde mich schon durchfragen.

Dieser edle Ritter sieht wohlwollend aus!

“Mi scusi, dove posso trovare il signor Puccini?“
Keine Antwort. Wo ich doch extra höflich sein wollte und sogar google translate bemüht habe! Wahrscheinlich hat er keine Ahnung und jetzt ist’s ihm peinlich. Recht so.

Ich sehe schon die nächste mögliche Auskunftsperson (der Pawlowsche Hund in mir beginnt zu knurren).

“Madam, können Sie bitte Ihrem Sohn etwas anziehen, es ist schon recht frisch! Und wissen Sie, wo Herr Puccini zu finden ist?“
“Ick verstähe schi nischt, bin Frankreich“
“Grazie, ciao!“ – so viel Italienisch wird sie schon können, wenn sie seit 200 Jahren hier herumsteht!

Next one.

Ein bisschen ehrfürchtig bin ich schon, aber mit DIESEM Überblick kann mir die heilige Gestalt sicher helfen.
Und tatsächlich bekomme ich endlich einen Hinweis: “Geh in meine Blickrichtung“, sagt Michel, und schon bin ich unterwegs.

Inmitten einer kleinen Piazza sitzt gemütlich ein etwas hochnäsig dreinschauenden Mann in Bronze gehalten.

Ich bin schon müde und frage ganz direkt nach Mr. Puccini. Wenn Blicke töten könnten… ER ist es, höchstpersönlich! Ich sinke zu seinen Füßen nieder und bitte um Vergebung. Nein, Blödsinn. Ich gehe in die nächste Bar und proste ihm mit einem Dezi zu. Gut gemacht, Mr. Puccini. Das mit den Opern, meine ich.

Das Geburtshaus ist sehenswert, sehr schön aufbereitet.

Wenn Ihr genau schaut – links oben – dann wisst Ihr, warum DAS mein Lieblingsobjekt ist:

Fehler I

Ich hätte bis übermorgen bleiben sollen. Am 14. September feiert Lucca das Fest zu Ehren von Volto Santo “La Luminaria di Santa Croce“. Ein Teil des Rituals ist das Lichterfest am Vorabend, bei dem eine Prozession durch die erleuchteten Gassen zieht. Dafür werden seit Tagen Kerzenhalter an den Häusern montiert und das sieht dann so aus (Wohlgemerkt, KEINE Glühbirnen, nur echte Kerzen!)

Alle sind dabei, auch die ganz Noblen!

Die haben ihr katholisch gut gelernt, die Italiener!

Der Schatz im Keller

Ein unscheinbares Haus, mitten in Lucca, so wie es hier in der Altstadt viele gibt.

Hier gab es einst ein kleines Restaurant, so klein, dass die Besitzer nicht mehr zufrieden waren und über eine Erweiterung nachdachten. Man beschloss, die schönen Kellergewölbe gastronomisch zu nutzen. 2010 begannen die Arbeiten mit Trockenlegungsmaßnahmen, die altes Mauerwerk ans Tageslicht und damit alle Aubsbaupläne ins Wanken brachten. Wie in solchen Fällen üblich, wurden Archäologen zugezogen, die das Schicksal des Restaurants endgültig besiegelten. Denn die Expertise, dass es sich um die Grundmauern eines alten römischen Hauses handle, ließ in den Besitzern des Kellers den Entschluss reifen, die Anlage freilegen zu lassen und danach für die Öffentlichkeit im Rahmen eines kleinen Museums zugänglich zu machen.
2011 sind die archäologischen Arbeiten abgeschlossen, bereits ein Jahr später kann das Museum eröffnet werden.

Simona Velardi ist die wissenschaftliche Leiterin, an ihrer Seite arbeitet Giuseppe Bulleri. Er ist eigentlich Experte für antike Gärten und Autor eines Buches über Pompeji. Irgendwie hat es ihn nach Lucca verschlagen und so führt er heute die Besucher durch die kleine, feine Anlage.

Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass es viele solcher Funde gibt. Normalerweise wird durch die Archäologen kartografiert und danach mit Hilfe einer ordentlichen Ladung Beton konserviert. Es ist viel Mut, Kapital (Förderungen gibt es keine, alles muss aus eigener Tasche bezahlt werden, auch die Archäologen) und Eigeninitiative notwendig, um ein solches Museum einzurichten und zu erhalten. 3 € Eintritt, reich werden Simona und Giuseppe sicherlich nicht, aber aus jedem ihrer Worte klingt der Stolz und das Bewusstsein über die Einzigartigkeit ihres Projektes mitten in der Altstadt von Lucca!

Ein sonntagmorgendliches Lucca-Kaleidoskop

“Lucca ist das Beste an der Toskana!“
“Diese Stadtmauer MUSS man gesehen haben!!“
“Du wirst gar nicht mehr weg wollen, so schön ist diese Stadt!“
“Puccini!!!“

Mit diesem Bündel an mit Ausrufungszeichen garnierten Erwartungshaltungen im Rucksack kam ich gestern an und musste zuerst einmal Francesco finden, meinen Gastgeber für die nächsten paar Tage. Eh ganz leicht, im Gegensatz zum Müden Onkel, der über superschmale und auch in ihrer Höhe definitiv nicht dem mitteleuropäischen Normmaß entsprechene Stufen in den 4. Stock geschleppt werden wollte.

Dafür ist die Aussicht bezaubernd, so wie die ganze Wohnung, ein Airbnb Glückstreffer.

Und ja, die Stadtmauer ist erstaunlich. Es gibt übrigens eine gemeinsame Erklärung der von Stadtmauern umschlossenen Städte, dass sie sich als schützenswert betrachten. Dieser Piran-Declaration schließe ich mich an. Fotos gibt’s keine und die Erkenntnis, dass ich eine gescheite Kamera brauche, kommt zu spät.

Auf jeden Fall wird gerne geheiratet, auf und hinter der großen Mauer.

Und sentimental kann man auch werden, wenn die Autos unserer Jugend als Oldtimer ausgestellt werden.

Es ist ein ordentlicher Hatscher, bis die gesamte Mauer umrundet ist, aber die Belohnung wartet schon. Das bekommt man, wenn man in der Bar “Turandot“ einen Spritz Aperol bestellt:

Satt und zufrieden mache ich mich auf den Weg nach Hause, als mein Telefon klingelt und der Abend eine unerwartete Wendung nimmt. Doch dazu später mehr 🙂

Abschied vom Castello Tarlati…

… und damit auch von Arezzo
… und von den Grunzis, die uns gestern abend noch einmal die Ehre gaben. Mutter, Vater und ein paar Frischlinge. Jetzt wissen wir auch, wie es klingt, wenn ein Wildschwein sagt:“Komm keinen Schritt näher, sonst ist’s vorbei mit Dir!“
… Abschied auch von meinen Freunden, die nach einer mühelosen 🙂 Woche wieder nach Österreich heimkehren.

Ich ziehe weiter nach Lucca!

Ein paar Lichtblicke (unter vielen):

Francesco – im Herzen ein Etrusker

„Wirklich kultiviert waren nur die Etrusker“, sagt Francesco und breitet seine Arme in Richtung Arezzo aus, als würde er das Tal umarmen wollen. „Die Römer sind Barbaren gewesen und martialisch obendein.“

15 Jahre lang hat der Winzer aus Leidenschaft mit großem Aufwand und noch größerer Beharrlichkeit sein Ziel verfolgt: Wein zu keltern wie die Etrusker, die in dieser Gegend reichlich Spuren hinterlassen haben, bevor sie von den zitierten Barbaren vertrieben worden waren.
Archäologen, Geologen und Experten des Etrusker-Museums in Rom haben ihn dabei unterstützt, die so genannte Mondini-Methode zu entwickeln, bei der der Wein in 320 Liter fassenden Terrakottaamphoren in drei Metern Tiefe eingegraben wird und dort bis zu drei Jahre lang lagert. Das Ergebnis ist ein sehr spezieller Wein und ich gebe zu, dass ich mich vor dem ersten Schluck ein bissl gefürchtet habe. Unnötigerweise, denn dieses mit so viel Akribie und Liebe gebraute Getränk schmeckt gut, sehr leicht mit einem Hauch von Honig, was daran liegen mag, dass die eigens angefertigten Amphoren innen mit Bienenwachs versiegelt werden.

Auch der Preis ist beeindruckend, 50 Euro pro Flasche, kein Wunder, bei dem Aufwand.
Verwendet werden 85% rote und 15% weiße Trauben, ganz genau nachzulesen unter www.rasennaintuscany.com

Der Hang, in den die Tongefäße eingegraben werden, ist terrassenförmig angelegt.

Von oben können die Behälter kontrolliert werden, der Abfluss erfolgt über ein unterirdisches Leitungssystem.

Noch kann Francesco nicht vom Ertrag seines kleinen Weingutes leben, aber es ist ihm nur zu wünschen!