17. August: Von Zeeland in die Bretagne oder wie man sich auf den letzten 10 Kilometern ins Chaos manövriert.

Goes irgendwann in der Früh. Abschied von Roel und der Patriot (schweren Herzens, es waren wunderschöne Tage…) und Einstieg in den Zug Richtung Roosendaal. Umstieg nach Brüssel. Umstieg nach Paris Nord. Umstieg in Metro Nr. 4 nach Paris Montparnasse. Umstieg nach Rennes. Umstieg nach Aurey. Umstieg nach Quiberon. 1000 Kilometer, wie am Schnürchen.
Zwischen Aurey und Quiberon fährt ein Milchkandelexpress hin und her, der sentimentale Eisenbahnfans wohl entzücken würde. Man könnte auch eleganter „verkehrt“ schreiben, aber das wäre falsch. Er fährt einfach hin und her, was letztlich für mich ganz hilfreich war.
Die vorletzte Haltestelle heißt St. Pierre Quiberon. Ich sehe den Bahnhof und springe aus dem Zug. Plötzlich bin ich ganz unsicher, die Schaffnerin hat schon gepfiffen, ich steige im letzten Moment wieder ein. In Quiberon ist klar, das war die falsche Entscheidung, die Adresse meines Hostels ist St. Pierre. Gut, dass der Zug 10 Minuten später wieder zurück fährt. Was soll ich Euch sagen? In St.Pierre, es wird schon dämmrig und leichter Nieselregen erfrischt meinen Teint, zücke ich mein Navi in stelle fest: wieder falsch. TAXI!!!! Von wegen Taxi. St.Pierre hat Jennersdorfsche Dimensionen und die Gehsteige sind längst hochgeklappt. Irgendwo muss es doch ein Beisl geben mit Rotwein und einem Plan. Und Zigaretten, bitteschön. So rolle ich mich und meinen Rucksack in Richtung „Zentrum“, um 30 Minuten später in jeder Hinsicht unverrichteter Dinge wieder am Bahnhof zu stehen.

Wo bleibt er?

Der letzte Zug des Tages bringt mich um 21.38 nach Penthievre, dann noch 10 Minuten Fußmarsch und ich stehe vor der verschlossenen Tür meiner Auberge de Dunes. In einem Kuvert klebt mein Schlüssel an der Wand, aber das hilft mir jetzt auch nicht wirklich weiter, denn es handelt sich um eine Bungalow – Anlage und mittlerweile ist es stockfinster.

Ich biege ums Eck, da schimmert Licht aus einem Fenster, zwei Minuten später sitze ich Lilian gegenüber, bekomme eine Tasse heißen Tees und lerne meine erste Frauenschlafsaalgenossin kennen. So ein Glück! Lilian zeigt mir nicht nur mein Bett, sondern gibt mir auch noch ein Hostel-Briefing UND ihren Adapter, weil sonst wäre ich aufgeschmissen gewesen. Falls Du diese Zeilen liest: dank Dir war ich von ersten Tag an ein alter Hase 🙂

Im Stockbett oben zu schlafen… Ich denke das letzte Mal auf einem Stockbett war ich vor ca. 10 Jahren, als bettwäschewechselnde Mutter. Irgendwie habe ich in der Zwischenzeit die richtige Abstiegstechnik vergessen. In stockfinstrer Nacht runterklettern zu müssen, falsch zu greifen und zu merken: das wir jetzt ein eingesprungener Rittberger, also schnell noch Luft anhalten, vielleicht wird der Aufprall dann nicht ganz so laut. Es war laut, aber ich bin unverletzt und mittlerweile residiere ich alleine im 7er Zimmer, Bett ohne Stock am Fenster, sehr fein.

Lebenszeichen!

Ich hätte ja so Einiges zu erzählen, aber zuerst muss ich meine technischen Gegebenheiten ein wenig adaptieren und überhaupt ist grad ganz viel sehr neu.
Der Bericht über meine chaotische Anreise nach Quiberon und wie es so ist, wenn man in finsterer Nacht von Stockbett…… kommt Abends 🙂

De Hoop I

Meine Schönen!

Natürlich habe ich mit Euch gerechnet, erwartet, viele von Euch zu sehen. Und doch hat mich die Faszination überrascht, mit der Ihr mich in Euren Bann gezogen habt. Wunderbar seht Ihr aus, ein wenig altmodisch und im wahrsten Sinn des Wortes meist verschlossen. Ich musste einige Kilometer radeln, um Euch zu finden, zumindest hier in der Gegend seid Ihr selten geworden. Dafür gibt es viele Eurer modernen Schwestern, die sich blühend weiß und elegant weit in den Himmel recken, sich ihrer „Nützlichkeit“ bewusst zu sein scheinen, so selbstbewusst wirken sie. Ihr dagegen seid ein wenig pummelig und man traut Euch nicht mehr viel zu. Teuer seid Ihr in der Erhaltung und die Technik ist nicht mehr zeitgemäß, daher gibt man Euch nichts mehr zu tun (Tröstet Euch, damit liegt Ihr gut im Zeitgeist!). Allerdings, als Werbeträger und Fotomotiv seid Ihr noch recht brauchbar, weshalb man Euch unter Denkmalschutz gestellt hat. Und die eine oder andere darf als Wohnung dienen, man schmückt sich gerne mit Euch.

Aber es gibt auch Ausnahmen!

„De Hoop“ ist eine der wenigen Windmühlen von Zeeland, die noch im Vollbetrieb stehen. 1808 gab es hier bereits eine kleine Mühle, der jedoch die schnell wachsenden Bäume der Umgebung bald den Wind nahmen. 1894 erfolgte der Neubau, 1939 wurde die Mühle von der Familie deVisser übernommen. Vater deVisser ist 90 Jahre alt und hält das Mahlwerk täglich am Laufen. Außer bei Windstille natürlich und wenn Wartungsarbeiten anstehen, die sein Sohn erledigt. Er war es auch, der mir heute Zutritt gewährte, nicht ohne mich zu warnen: „Pass gut auf, achte auf jeden Schritt!“
Es wurde eine abenteuerliche Kletterparie bis ganz hinauf unter die Kappe der Mühle, über schmale Leitern, die noch die originalen sind, alles überzogen mit feinstem, rutschigen Mehlstaub. Der allergrößte Teil der Substanz ist noch in Verwendung, ergänzt durch ein paar zeitgemäße technische Hilfsmittel. Bei den Fotos steht ein bisschen mehr dazu. Übrigens ist es einer meiner Ansprüche, ohne Wikipedia auszukommen, die Inhalte hier beruhen ausschließlich auf meinen Gesprächen.
Am Ende meiner Expedition hatte ich noch die Ehre, Vater deVisser persönlich kennen lernen zu dürfen. Er kam neugierig daher, wollte wohl wissen, was dieses mehlbestaubte Wesen (noch ein wenig Ei und Brösel –
ich wäre perfekt paniert gewesen!) in seiner Mühle zu suchen hat. Er freute sich dann sehr über mein Interesse und beantwortete geduldig alle meine Fragen. 100 Tonnen Mehl werden jährlich in etwa produziert „nichts ist gespritzt, alles Bio“, Vollkornmehl und Weißmehl, das Getreide liefern die lokalen Bauern. Es macht ihm immer noch Freude zu sehen, wenn die Flügel sich zu drehen beginnen. Und wenn ich an die leuchtenden Augen seines Sohnes denke, als er mir alles erklärte, bin ich sicher: diese Mühle darf weiter bestehen und ihre ureigenste Aufgabe erfüllen – das Korn für den Menschen zu mahlen.

Majestätisch!

Hiermit werden die Mehlsäcke verschlossen
Hier wird das Korn von der Schale befreit, Sohn deVisser wartet die noch originale Vorrichtung
Mit Hilfe des Gestänges wird der Kopf der Mühle samt ihrer Flügel händisch in den Wind gedreht
Der stolze Besitzer!

Der Blog ist heute wegen Schlechtwetters geschlossen.

Zumindest, was meine Berichte über Land und Leute betrifft, denn die Suche nach IHR kann ich erst morgen fortsetzen. Bei diesem Sauwetter habe ich andere Pläne.

Was mich gestern Abend und heute beschäftigt, ist die Fortsetzung meiner Reise. Morgen verlasse ich die Niederlande, der nächste Fixpunkt ist die Cote d’Azur am Sonntag. Da bleiben ein paar „freie“ Tage dazwischen, die laut Konzept in einem kleineren Ort an irgendeiner Küste verbracht werden wollen. Was tun also, um zu einem netten nächsten Ziel zu kommen? Die Methode, jeden, der mir freundlich gesonnen begegnet, Löcher in den Bauch zu fragen, wo es denn schön sei, scheitert. Natürlich gibt es viele Ideen, aber nichts passt mir. Zum Glück fallen mir die Brave Girls ein, eine Facebook Gruppe alleinreisender Frauen mit mehreren 100 Mitgliedern. Innerhalb von Stunden bekomme ich gute Hinweise (danke, liebe Anke) und das Ziel steht fest: Quiberon in der Bretagne, ein ehemaliges Fischerdorf.

Next Step: die Quartiersuche. Booking hilft weiter und lässt mich feststellen, dass alle vernünftigen Hotels entweder ausgebucht sind, oder weit jenseits dessen liegen, was für meine Reisekassa noch verträglich ist. Bis ich auf die „Auberge des dunes“ stoße. 100 € inklusive Frühstück für 3 Nächte ist schwer in Ordnung. Gut, mein Zimmer heißt FRAUENSCHLAFSAAL, aber in der Buchungsbestätigung wurde mir zu meiner großen Erleichterung ein Bett zur Einzelnutzung versprochen. Mit Babsis Schlafmaske und Barbaras Ohrstöpsel bin ich bestens ausgerüstet und außerdem schnarchte eh immer ich am Lautesten!

Und wie komme ich dorthin? Das wird heute Abend geregelt, wenn ich es hoffentlich endlich schaffe, Interrail davon zu überzeugen, dass meine Mastercard nicht gestohlen ist und sie mich doch noch meine Sitzplatz -Reservierungen buchen lassen 🙂

Jetzt muss der Smutje schleunigst in der Kombüse verschwinden, damit das Essen fertig ist, wenn der Captain an Bord kommt!

Eigentlich wollte ich nur zum SPAR!

Nach den intensiven letzten Tagen wollte ich heute nur noch eines : Faul sein.
Daher holte ich mir aus der Marina ein Fahrrad, um, den örtlichen Sitten folgend, die paar Meter zum Geschäft auf zwei Rädern zu bewältigen. Das Rad funktionierte auch ganz wunderbar … bis ich das erste Mal bremsen wollte. Da war nix am Lenker, keine Bremse. Das Rad fuhr weiter, ich blieb mit Müh und Not im Sattel. Beim nächsten Versuch mittels – ha! – Rücktritt blieb zwar das Rad stehen, aber ich bewegte mich weiter. Zumindest der Unterhaltungswert für die Kaffeehausbesucher an der Hauptstraße war gegeben.

Hoch erhobenen, leicht geröteten Hauptes radelte ich Richtung SPAR und da sah ich SIE! Ich vergaß meine Einkaufsliste und bin seither auf der Jagd nach meinem nächsten Thema für den Blog. Allerdings müsst Ihr Euch bis morgen gedulden, denn diese Recherche gestaltet sich etwas schwieriger, als gedacht. Mein keiner Ausflug artete in eine Radltour quer über die Insel aus, von der ich erst vier Stunden später zurückkehren sollte. Die Verhältnisse hier kann man nur als Radlerparadies bezeichnen. Wunderschöne, endlose Radwege, wenig los, wechselnde, bezaubernde Landschaften, mit immer wieder netten Überraschungen. Segelboote mitten zwischen den Feldern!

Und immer wieder diese Weite.

Nach links?
Nach rechts?
Nein. Geradeaus!

Als Nachtrag zu gestern: das folgende Foto habe ich heute am Oosterschelde-Strand aufgenommen und man sieht im Hintergrund eines dieser riesigen Sperrwerke zur Nordsee. Die Sperre ist geöffnet, es ist ja schönes Wetter, daher können Ebbe und Flut ungehindert in die Oosterschelde einströmen. Bei Sturmwarnung werden die Tore geschlossen und die Nordsee muss draußen bleiben.

Die Zacken ganz im Hintergrund sind das Sperrwerk!

Der Kampf gegen das Wasser hat einen Namen: Delta Works

Der Kampf gegen das Wasser hat in den Niederlanden einen Namen: Delta Works. Doch dazu später.

Hellevoetsluis – Schleuse zur Hölle – war in seinen Blütezeiten Sitz der Admiralität und ein wenig von diesem Glanz ist dem heute beschaulichen Städtchen mit einigen prunkvollen Gebäuden geblieben. Der martialische Name resultiert der Legende nach aus dem frühen Mittelalter, als die Schifffahrt noch ein hoch riskantes Unterfangen war und direkt hinter der Schleuse die unberechenbare Nordsee wartete.

Die Niederlande liegen bekanntlich an der Nordsee. Genau gesagt, liegen sie eigentlich unter der Nordsee, bis zu 8 Metern unter dem Meeresspiegel. Der Tidenhub beträgt ca. 3,5 Meter. Als wäre das noch nicht genug an im Zaum zu haltender Naturgewalt, gibt es noch drei große Flussdeltas – Rhein, Maas und Schelde münden hier ins Meer. Wasser von allen Seiten! Es gab früher im Großraum Amsterdam auch noch einige Seen, diese wurden umdeicht und mit Hilfe von Windmühlen leegepumpt.

Die dunkelgrünen Flächen liegen unter dem Meeresspiegel.

Schwere Überschwemmungen waren an der Tagesordnung, man behalf sich mit Deichen, die wie ein dichtes Spinnennetz über dem Land liegen. Mit der Flutkatastrophe von 1953 und 1800 Opfern war klar: dieses Land braucht einen Masterplan. Heerscharen von Experten entwickelten das größte jemals in den Niederlanden realisierte Projekt – Delta Works. In 30 Jahren wurden gewaltige Wehranlagen am Meeresgrund verankert, es ist so gigantisch, dass ich es hier nur marginal beschreiben kann. www.deltawerken.com ist wirklich einen Blick wert!
Auch die außenliegenden Deiche wurden um 2 Meter erhöht, nach menschlichem Ermessen ist das Land jetzt sicher. Das ganze Unterfangen ist hoch komplex, hat doch jeder dieser Eingriffe Auswirkungen auf Flora und Fauna und damit auch auf die Menschen, die auf ein funktionierendes Ökosystem angewiesen sind (Fischer z.B.).

Nur ein kleiner Eindruck eines Sperrwerkes, das aus 68 riesigen Pollern besteht, zieht sich über viele Kilometer.

Und zu guter Letzt noch ein Foto von Eurer Bloggerin auf dem Weg zum wohlverdienten Abendessen!

In eigener Sache!

Einen schönen Sonntag in die treue Runde!
Gestern gab es erstaunliche 685 Besucher auf meinem Blog. Diese Zahl ist ganz unglaublich, ich freue mich so über Euer Interesse, das es für mich noch spannender macht, mit offenen Ohren und Augen nach Themen zu suchen.
Übrigens: Für Kommentare einfach auf die Überschrift des Beitrags klicken!

DANKE!!!

Wo bin ich hier eigentlich gelandet?

Gestern habe ich noch frech behauptet, in Holland zu sein. So ein Blödsinn, Zeeland heißt die südliche Provinz der Niederlande, Noord-Beveland ist meine Insel, umgeben von drei Meeren: Veerse Meer, Oosterschelde und Nordsee. Bisher kamen für mich alle Menschen in Autos mit gelben Nummernschildern (davon gab es im Kärnten meiner Kindheit viele) aus Holland, das ist so korrekt, als würde man alle Österreicher als Tiroler bezeichnen. Tja, Ohren spitzen, Schnauze halten, dann wird das dürftige Volksschulwissen wie von alleine aufpoliert.

Noord-Beveland also. 50 km Küstenlinie umschließen eine Landschaft, der man das reichlich vorhandene Wasser durchaus ansieht. Viele Kanäle durchschneiden die Wiesen und Äcker, überall ragen Mastspitzen in den Himmel, man lebt sichtlich gut mit und vom Tourismus. Die Marina, in der die Patriot – meine Heimat bis Donnerstag – liegt, beherbergt 750 Schiffe, die meisten haben einheimische Eigner, aber man hört auch viel Deutsch und Belgien ist ja auch nicht weit. Das Niederländische ist sehr Chelig, meine Versuche, die mir geduldig vorgekauten Begriffe nachzusprechen, sorgen für Erheiterung…

Auch hier: Gastfreundschaft vom Feinsten. Roel hatte heute Abend einen Termin und so wurde ich der Besatzung des Nachbarschiffes zur Betreuung überantwortet. Jetzt weiß ich, wie Bitterballs schmecken, durfte eine Auster schlürfen und bekam Palatschinken mit Schenkstroop serviert. Dazu, fast Heimatfeeling, Wein aus Jeruzalem! Eine Umarmung für Elma, Stephan und Sophie, es war ein feiner Abend mit Euch.

Ein kleiner Teil der Marina
Man beachte den Wasserstrahl auf der rechten Seite!
Bitterball
Schenkstroob

Die Auster, dieser Urlaub ist echt hart 👑

Und noch meine Kuriosität des Tages, zur Interpretation freigegeben!

Von Albersdorf nach Kortgene [Korchtchine]

Wenn ich heute früh Reisefieber hatte, so war dieses im Zug zwischen Heide und Hamburg – der ersten von meinen 5 Etappen auf dem Weg nach Holland – um exakt 08.25 Uhr verschwunden. Ertränkt durch einen „Klopfer“, dem noch zwei weitere folgen sollten.

Klopfer 1

Keine Sorge, das wird nicht zur Gewohnheit werden. Aber bekanntlich herrschen in anderen Ländern andere Sitten. Die marodierenden Polterhorden, die bei uns vermehrt innerstädtisch mit Einbruch der Dämmerung anzutreffen sind, finden sich hier eben schon am frühen Morgen im Zug.

Ab Hamburg verlief die Fahrt ohne besondere Vorkommnisse, alles pünktlich und stressfrei, dafür mit immer wieder wunderschönen Eindrücken!

Und schließlich am Ziel in Zeeland! Morgen ist hier Hafenfest, Bericht folgt.

Angekommem...