Samstag abend im Hostel. Ich mache es mir gerade mit meinem Lapin – aus dem Kühlregal im Supermarkt, nicht aus dem Streichelzoo – und einen Glas Rose in der Gemeinschaftsküche gemütlich, als Marie-Claude (bitte merken, sie wird ganz prominent noch einmal in Erscheinung treten) von ihrem Einkaufsbummel nach Vannes zurück kommt. Voller Freude zückt sie ihr Taschenesser und holt aus einem Plastiksackerl eine frische Muschel, deren Schale sie öffnet und mir sodann feierlich überreicht: Palourde!

Ich muss zugeben, sie hat geschmeckt. Nach dem Meer meiner Kindheit, nach Camping und Schnorcheln und Pinienwäldern… es ist eine Freude, Marie-Claude bei ihrem Festmahl zu beobachten, wie sie fast liebevoll eine Muschel nach der anderen knackt. Sie isst sie vollkommen pur, ohne Zitrone oder Brot. Vielleicht hätte sie ja ein Glas Wein gemocht, aber leider gibt es außerhalb der Öffnungszeiten der Rezeption keinen Nachschub.
Als ich am nächsten Morgen zu Beginn meiner Ostküstenwanderung den ersten Blick über die Düne werfe, ist das Meer verschwunden. Naja, nicht ganz. Weit draußen glitzert es friedlich und leicht silbrig, das Niedrigwasser legt ein großzügiges Watt frei, in dem sich hunderte gebückte Menschen tummeln, die auf der Suche nach – ja wonach eigentlich? – im Sand bzw. In den Wasserlacken herumstochern und -rühren.

Ein sportlich aussehender Mittdreissiger lässt mich in sein gelbes Kübelchen, das mit einem Netz ausgelegt ist, blicken. Eine Handvoll Palourde lachen mich an! Als ich ihn bitte, mir zu zeigen, wie er die Muscheln findet, reagiert er empört. NO, Madame, it’s a SECRET, I found them with my eyes!!! In seiner Stimme schwingen drei Rufzeichen. Um seine Feststellung noch zu untermauern, deutet er mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger auf seine Augen. Meine Überraschung kann man sich vorstellen. Mit den Augen, wer hätte das gedacht.
Brigit (wie die Bardot, sagt sie lachend) lässt mich zusehen. Es sind die Löcher Boden, an denen zu erkennen ist, wo Palourde zu finden sind. Da sind verdammt viele Löcher und für mich sehen sie alle gleich aus. Gleich wie bei Mr. Strenggeheim liegt auch in ihrem Kübel nur die Ausbeute für den Gruß aus der Küche. Es ist ein schlechtes Jahr heuer, die Palourde sind lieber weiter im Süden.

Die Grabungsmethoden sind durchaus unterschiedlicher Natur. Manche starren minutenlang reglos auf den Boden um dann blitzartig mit einer Art großer Gabel loszulegen. Andere ziehen die großflächige Abtragung der obersten Sandschicht vor. Das Ergebnis ist überall ähnlich.
Da sehe ich einen Ausreißer, der mit einer Mistgabel quasi den Meeresboden umsticht, assistiert von seiner Frau, die im ab und zu den Kübel hinhält, damit er seine Beute los wird. Sehr gespannt pirsche ich mich an. Ist das die Perfektion der Palourde-Jagd?

Grinsend hält mir Bernard seine offene Hand entgegen – auf der sich die scheuslichsten Würmer rekeln, die ich je gesehen habe.

Arenicole heißen die Biester und sie sind perfekte Köder für Doraden, erklärt mir Jaqueline, die es sichtlich auch graust. Aber was tut man nicht alles für ein feines Sonntagsessen!

Guter Bericht Sabine,
Auch hier sehen wir, das Meer ist für jeden dort und vielen Menschen leben vom Meer. Lass uns alle aufpassen das Meer zu achten!
Es ist gut deine Berichte zu lesen.
Fiel Spass