„Na, was hat Dir besser gefallen? Quiberon oder Nizza?“, fragt die innere Stimme, so aus dem Hinterhalt, mitten während des Frühstücks in meinem Stammcafé am Markt. Morgen ziehe ich weiter nach Venedig und ich spüre schon leichte Abschiedssentimentalität.
„Lass mich in Ruhe, so eine Frage ist doch vollkommen absurd, denk an die Geschichte mit den Äpfeln und den Birnen!“
„Aber DU bist doch diejenige, die ihr Umfeld ständig mit solchen Fragen quält, also streng Dich an, das kann doch nicht so schwer sein.“
Ist es aber, schwer nämlich. Als es mich nach Quiberon verschlug, kam ich ohne jede Erwartungshaltung. Ich wusste nichts. Am Ende wurde daraus ein heftiger Urlaubsflirt, leidenschaftlich und voller wunderbarer Eindrücke, der Abschied ein bisschen traurig, vielleicht sehen wir uns ja wieder.
Aber Nizza, das kennt man doch! Schicki-Micki, tolle Promenade (die mit dem furchtbaren Anschlag vor 2 Jahren), teures Pflaster, am Strand lauter braungebrannte Schönheiten mit Beinen bis zum Hals, bunten Cocktails in den Händen und Suiten in Nobelhotels. Jedes Fleckchen ist vollkommen überlaufen mit deutschen und englischen Touristen, dazwischen ein paar genervte Einheimische, die mit Menschen, die kein Französisch sprechen, sowieso nichts zu tun haben wollen. Ein bissl Luxus-Caorle, oder?
Mit diesem profunden Bild meines Reisezieles stieg ich am Montag in den Zug Richtung Süden. „Du wirst sehen, Nizza riecht anders“, verspricht mir kryptisch meine Reisegefährtin Sophie. Sie ist aus Antibes und steigt eine Station vor mir aus.
Nach drei Tagen in dieser Stadt sind alle meine Vorurteile zerbröselt. Am Schönsten zu beobachten und zu spüren, ist der entspannte, wohlwollende Umgang miteinander. Es scheint, als wäre Stress hier ein Fremdwort. Auch im größten Abendtrubel ist’s ein gemütliches Schlendern, ein freundliches Lächeln oder ein kurzer Tratsch oft inklusive. Luxus-Barbies waren noch keine zu sehen und teuer ist es offenbar in Graz. Hier jedenfalls nicht.
Mein Appartment liegt mitten im Herzen der Altstadt und ist bezaubernd (… danke, lieber Clemens… danke). In den engen Gässchen geht jede Nacht die Post ab, ich genieße diesen Trubel genau so, wie die morgendliche Stille am Strand. Einsam ist es auch hier nicht, ich treffe täglich beim Morgenschwumm die gleichen Leute. Da wären z.B. die beiden Männer, die sich auf dem Weg ins Büro Zeit nehmen für einen Tratsch im Wasser. Oder die Großmutter samt ca. 10jährigem Enkel, die immer ziemlich lange plantschen. Richtig geschwommen wird hier eigentlich nur von echten Sportlern, die parallel zur Küste ihre Bahnen ziehen, der Rest treibt gemütlich im Wasser herum, das ganz schnell tief wird und irgendwie kraftvoll daherkommt. Ich bin schwimmtechnisch auch überfordert und schließe mich dem kollektiven Plantschen an. Wacken ist vielleicht die noch bessere Bezeichnung. Der Strand ist übrigens schmerzhaft kieselig, nix mit feinem Sand, wer keine sexy Badeschuhe trägt, stolziert im Storchenschritt, wie auf rohen Eiern, was es wohl nur subjektiv leichter macht.
Den ganzen Tag und und bis tief in die Nacht wogt ein nie abreißender Strom an Flanierern die kilometerlange, wirklich prachtvolle palmengesäumte Promenade auf und ab. Dazwischen, wie an allen neuralgischen Punkten der Stadt, schwerst bewaffnete martialisch wirkende Viererteams, die das Treiben beobachten und das Gefühl vermitteln, besser keinen Kaugummi platzen zu lassen, das könnte böse enden. Auch eine Reihe von baulichen Maßnahmen soll helfen, Attentate zu verhindern und man fühlt sich tatsächlich sicher.
Nein, Nizza ist kein Urlaubsflirt, sondern eine Stadt, in der man sich ein Leben vorstellen könnte. Der Funke ist übergesprungen, so wie damals in Graz, im Mai 1979 :-). Ganz viel spricht mich an, beginnend bei der Größe – 330.000 EW – über die lässige, entspannte Stimmung, dem guten Miteinander und den vielen Möglichkeiten bis hin zur herrlichen großen Badewanne direkt vor der Nase, samt mildem Klima. Als ich gestern in Monaco (Mischung aus Freilichtmuseum und Zoo. Mehr ist aus meiner Sicht dazu nicht zu sagen. Obwohl: das ozeanographische Museum ist echt gut. Und der oben-ohne Touribus braust in einem Höllentempo durch die vielen Tunnel der Stadt, die sehr naturbelassen felsig sind. Das weckt Geisterbahnassoziationen und ich musste mich sehr beherrschen, nicht vor Begeisterung zu quietschen. Aber deshalb muss man nicht nach Monaco fahren) in den Zug stieg, dachte ich, wie froh ich wäre, gleich wieder zu Hause zu sein. So sehr hat die Stadt mich für sich eingenommen. Ob ich wieder einmal alles durch die rosa Brille sehe? Das kann schon sein, aber warum denn nicht, bitteschön?
Am Schluss noch ein kleines Besichtigungsschmankerl: in einer Kirche in der Altstadt – um welche es sich handelt, wird verschwiegen, ich möchte niemanden beleidigen – liegt ein Zettel mit der Beschreibung des Innenlebens auf Deutsch zur Entnahme für 20 Cent. Unter der Überschrift „Baptismal Fonds“ steht geschrieben: Sie werden sofort nach rechts in das Heiligtum entfernt. Vergeblich gesucht habe ich nach „Die kleinen Haufen“, dabei ist die Beschreibung derselben durchaus spannend: „Es hat ihren Umfang durch die Reibung der Hände von Generationen von Anhängern verwendet.“ Und bitte was kann man in einer Kirche „dauerhaft ausgeübt galvanisieren“ ?





Sophie hat Recht, Nizza riecht anders. Frisch und mild zugleich, nach Sonne und Strand, frischem Weißbrot, Gewürzen, gebratenem Fisch und nach Meer. Venedig, ich komme, aber Du hast es jetzt echt schwer mit mir!
Liebe Sabine! Ich verstehe deine Liebe zu Nizza sehr sehr gut und war schon sehr oft dort. Letztes Jahr Anfang September, wo ich auf dem Boulevard des Anglais die vielen Blumen und Teddybären gesehen habe, die nach dem Anschlag am 14.7. 16 noch immer dort lagen und stets erneuert wurden! 😓😓😓 Wolfgang und ich wollten 1991 im Vieux Nice, wo du jetzt wohnst, ein Appartement kaufen, was damals erschwinglich ubd heute unerschwinglich ist. Was du nicht versäumen solltest, ist das Chagall Museum am Boulevard Cimiez! Ein Traum. Mit 17 hatte ich auf diesem Boulevard, nur weiter oben hinter dem Kloster, meine ersten Sprachferien verbracht – in der Villa Bellanda, die einem österreichischen Honorarkonsul gehörte. 1991 waren wir dort, Nicolas war noch im Buggy, und sahen, dass daraus gerade eine Schule entstand. Gute Weiterreise nach bella Venezia, wo du dir sicher die Biennale anschauen wirst. Erwin Wurms lustige Ausstellung im österreichischen Pavillon ist ebenfalls sehr empfehlenswert. Wir waren Ende Mai dort. Schade, dass aus unserem appartment niçois nichts geworden ist, wir sollten auch in Monte Carlo was kaufen, weil Wolfgang dort gesungen hat, aber da empfinde ich gleich wie du – des brauch i ned… 😍😍😍