Hoj Calafell

Dem Chefredakteur der Bezirkszeitung von Calafell „Hoj Calafell“, Antonio Diaz, ist es gelungen, einen der begehrten und raren Interviewtermine mit der österreichischen Reise-Bloggerin Sabine Göritzer zu bekommen. Sie treffen sich am frühen Vormittag in einer kleinen Bar an der Strandpromenade.

Antonio Diaz: Sie waren in Hamburg, Büsum, Albersdorf samt Wacken, Kortgene, Quiberon, Nizza, Arezzo, Lucca, Rom und Barcelona. Warum haben Sie sich jetzt ausgerechnet für Calafell entschieden?

Sabine Göritzer: Venedig haben Sie vergessen.

AD: Bitte um Verzeihung!

SG: Schon gut, es ist auch für mich nicht immer einfach, den Überblick zu bewahren. Früher lachte ich immer über amerikanische Touristen, die des Morgens aufwachen und keine Ahnung haben, wo genau in Europa sie sich gerade befinden. Heute kann ich ein bissl verstehen, wie das passieren kann. Und damit komme ich auch schon zur Antwort auf Ihre Frage. Obwohl ich mir nicht sicher bin, dass sie Ihnen gefällt.

AD (lacht): Bitte schonen Sie uns nicht, meine Leserinnen und Leser sind Kummer gewöhnt.

SG: Na dann. Ehrlich gestanden hatte ich vor zwei Tagen noch nicht einmal die geringste Idee von der Existenz dieses Ortes. Ich war von Rom nach Barcelona geflogen und vollkommen übewältigt von den Eindrücken der ersten Hälfte meiner Europatournee. Es gab erste Ermüdungszeichen und die Notwendigkeit einer längeren Pause ließ sich nicht mehr verleugnen.

AD: Wie fiel die Entscheidung für Calafell?

SG: Eigentlich sehr pragmatisch. Ich wollte unbedingt an der Küste bleiben, es sollte nahe zu Barcelona und gleichzeitig ruhig und belebt sein. Überschaubar, aber nicht winzig, mit vielen Möglichkeiten, aber nicht touristisch überlaufen, kurz: Ich suchte die eierlegende Wollmilchsau.

AD: Entschuldigen Sie, aber ich verstehe nicht ganz…

SG: Das macht gar nichts, ist so ein österreichischer Ausdruck für etwas, das alles kann und in Wirklichkeit natürlich nicht existent ist.

AD (leicht verzweifelt): Also warum Calafell?

SG: Könnte ich vielleicht noch ein Glas Wein bekommen?

AD: Selbstverständlich, wenn Sie mir dann bitte nur die Gründe für Ihre Entscheidung verraten!

SG: Sie sind aber ungeduldig, mein Lieber, ich dachte immer, im Süden hätten die Menschen mehr Zeit (lacht und nippt an ihrem Weinglas). Wissen Sie, ich habe gerade genau die Hälfte meiner Reise hinter mir und es ist an der Zeit, dem Erlebten Raum zu geben. Es gab so viele unglaublich schöne, berührende Begegnungen und Erfahrungen, auch mit mir selbst … Apropos, was isst denn der Herr am Nebentisch gerade? Sind das Tapas?

AD (genervt): Ja, das sind Tapas.

SG: Könnten Sie mir auch so etwas bestellen bitte, ich merke gerade, wie hungrig ich bin. Sie dürfen mir nicht soviel Wein geben um diese Zeit!

AD: Aber Sie wollten doch…

SG: Sie sind noch nicht verheiratet, richtig?

AD: Nein, bin ich nicht.

SG: Keine Sorge, das wird schon noch, Sie sind ja noch jung. Obwohl man als Redakteur ja nicht so viel verdient, kann man mit Ihrem Gehalt in Spanien eine Familie ernähren?

AD: Das Leben ist natürlich teuer und viele von uns brauchen zwei Jobs, um gut leben zu … Frau Göritzer! Ich will Sie interviewen und jetzt fragen Sie mich aus!

SG: Alte Bloggerkrankheit, sorry. Wo waren wir gerade stehen geblieben, was war Ihre Frage?

Antonio Diaz bestellt noch eine Flasche Rioja. Der Wirt setzt sich dazu und der Herr mit den Tapas vom Nachbartisch rückt ebenfalls näher. Gemeinsam genießt man die milde Vormittagssonne.

Das Interview wird nie erscheinen, Antonio wird im Oktober seinen Beruf als Redakteur aufgeben und den Fischkutter seines Onkels kaufen. Über das weitere Schicksal von Sabine Göritzer gibt es keine Informationen.

5 Antworten auf „Hoj Calafell“

  1. meine liebe, WAS, bitte sag mir, WAS werde ich morgens lesen um meine tage nachhaltig zu erhellt, wenn du deine reise abgeschlossen hast ??? du solltest dir ernsthaft gedanken über dieses problem deiner leserInnenschaft machen !!! winke, winke

    1. Sie sitzt am Bankerl vor der Wäscherei lesend in der Sonne und wartet auf ihre frisch gereinigten textilen Habseligkeiten. Mit dem Weiterschreiben schaut’s gut aus 😁.

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