Parata della frutta

Bassano del Grappa ist eine sehr alte Stadt. Als ich das von meiner Vermieterin zu Verfügung gestellte Fahrrad sehe, weiß ich, dass ich mich damit sehr stilvoll an die Gegebenheiten anpasse. Es muss wohl aus den 60er-Jahren sein, das Jahrhundert ist allerdings unklar. Bremsen waren damals jedenfalls noch nicht erfunden, aber egal. Ich mache mich nach einem hausfraulichen Vormittag – Waschmaschine! – auf den Weg, um den laut Google sehr nahe liegenden Golfplatz zu erkunden. Leider geht es bald ziemlich abwärts Richtung Fluss, weshalb ich mein Rad schieben muss, um nicht in Lebensgefahr zu geraten.

Hätte ich nicht schieben müssen, wäre mir der Markt nicht aufgefallen und mein Tag wäre wohl anders verlaufen. Denn mitten im samstäglichen Markttrubel gerate ich in die Parata della Frutta. Irgend welche Assoziationen dazu? Mitte Oktober+Früchte=Erntedank! Aber irgendwie sieht die Prozession nicht sehr katholisch aus.

Zu Klezmer-Klängen und italienischen Volksliedern ziehen sie durch die Stadt und sammeln Früchte, indem sie bunte Tücher aufspannen und die Menschen auffordern, Obst hineinzuwerfen. Die Mannen an den Megaphonen leisten ganze Arbeit.

Fenster öffnen sich!

Und die gespendete Orange landet wohlbehalten im Tuch.

Auch die Marktstandler geben mit Freude.

Derweilen die Musikanten die Kundschaft unterhalten.

Aber auch in stillen Hinterhöfen macht die Parade halt.

Ich entdecke ein mir bislang unbekanntes Musikinstrument und erfahre von Enrico, dass es sich um eine nach ihrem Erfinder benannte Stroh-Geige handelt.

Und weiter kommt das Obst geflogen, die Körbe füllen sich!

Aber bitte, WOZU der ganze Aufwand? Ich finde den Projektleiter, Mattia, seines Zeichens Wissenschaftler an der Uni Venedig im Bereich Stadtentwicklung. Ein halbes Jahr lang hat er sich mit einer Ecke von Bassano beschäftigt, um die es still geworden ist. Immer weniger BewohnerInnen, kein Zuzug. Dabei ist es wunderschön in der Gegend des alten Hafens rund um die Piazza di Brenta.

Und die Aussicht!

Am Abend gibt es dort ein Grätzel-Fest mit Musik und kleinen künstlerischen Einlagen. Es ist der Höhepunkt und Abschluss des Projektes.

Aus den Früchten wurde gemeinschaftlich Obstsalat für alle Gäste geschnipselt.

Ich erwische Mattia noch schnell, bevor das Fest richtig durchstartet und ich aufgrund der schnell einsetzenden Dunkelheit nicht mehr fotografieren kann.

Ob er zufrieden ist, will ich wissen. Er nickt zustimmend und verweist auch auf die Website. www.piazzadibrenta.at.
Es war das Ziel, den Stadtteil zu beleben, die Menschen zusammen zu bringen und das ist mehr als gelungen! Fortsetzung wird es keine geben, jetzt müssen die BewohnerInnen selber schaun, was sie aus den Fäden, die man ihnen in die Hand gegeben hat, weiterspinnen…

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