Mein 9. Fensterl wiegt gut 15 kg

Ein kurzer Kalendercheck ergibt, dass es ziemlich genau drei Monate her ist, seit ich den Rucksack in den Kofferraum des Graz-Autos gehieft habe. Erinnert Ihr Euch an meine Reiselogistik? Bevor ich aufgebrochen bin, hatte ich gepackt:

1. Meinen ganz normalen Reiserucksack, so minimalistisch wie möglich, d.h. unter Verzicht auf eigentlich Unverzichtbares, wie zum Beispiel Glätteisen, Wimperntusche, Stöckelschuhe, Sommerkleider, Schmuck und, und, und…
2. Ein Venedig1-Kofferl, das mir zum Seminar Ende August mitgebracht wurde und das dann auch wieder ohne mich nach Hause reiste
3. Den Toskana-Rucksack mit all den herrlichen, schwerst vermissten und unter Punkt 1 gelisteten Utensilien
4. Einen Venedig2-Koffer, der mir Ende Oktober die letzten Tage meiner Reise aufpeppte und von mir persönlich heimgebracht wurde.

Meine FreundInnen, mit denen ich eine wunderbare Woche in der Toskana verbracht hatte, fuhren also nach Hause und ich stand allein am Bahnhof in Arezzo. Es war Halbzeit, mein nächstes Ziel war Lucca, wo ich Mr. Pucchini besuchen durfte. Aber das wusste ich natürlich noch nicht und so im Nachhinein gebe ich zu, dass dies der einzige ein wenig einsame Moment meiner Reise gewesen ist; kein Wunder nach den intensiven Tagen des Zusammenseins.

Aus “logistischen“ Gründen konnte ich den Toskana-Rucksack erst heute auspacken, was durchaus mit dem Öffnen eines Adventkalenderfensterls vergleichbar ist, hatte ich doch nur eine sehr vage Ahnung davon, was genau mich erwartete. Aha, meine kleine schwarze Tasche. Sehr schön, ich hatte es aufgegeben, sie zu suchen und als verschollen abgehakt. Genau wie meinen roten Badeanzug! Aber woher stammen vier Stück duftende, rosa Seife? Auf der Schleife steht: Arezzo. Soso… Dann ein Flashback nach Quiberon in Form von bunten Dosen. Habe ich tatsächlich Fischsuppe quer durch Europa geschleppt? Ein ganzes Sackerl mit Notizen und Prospekten lässt Gespräche wieder aufleben und ich versinke minutenlang in den wunderbaren Erinnerungen, Gerüchen, Farben meiner Reise. Da ist er wieder, der Zauber dieser Monate, der schon verblasst war ob der Verpflichtungen und Belastungen des ganz normalen Alltags.

Ich werde wieder einen Rucksack packen. Mit einem Buch, das ich gerade besonders schön finde. Dazu eine Flasche Wein meines Lieblingswinzers, gesammelte Erinnerungen aus dem Hier und Jetzt, schöne Momente auf diese Art materialisieren und für später konservieren. Um sie dann, wenn es gerade gut passt, vielleicht in ein paar Wochen oder auch in ein paar Monaten hervorzuholen und mir so selbst vor Augen zu führen, dass es nicht immer eine große Reise sein muss, die verzaubert, sondern dass auch der Alltag genügend Wunderbares bereithält. Übersehen darf man`s halt nicht 🙂

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