Wir treffen uns im Séparée eines bekannten Grazer Kaffeehauses. Ganz gegen meine Blogprinzipien werde ich seinen Wunsch nach Anonymität respektieren, denn schon als wir zur Terminvereinbarung telefonierten, hatte ich das Gefühl, dass dieses Gespräch ein sehr persönliches werden würde.

Er ist schon vor mir gekommen. In seiner ganzen grauenvollen Pracht sitzt er da, vor sich ein Glas Tee, das intensiv nach Ingwer duftet, vielleicht mit einem Hauch von Zitrone. Am Tisch ausgebreitet liegen die die Zeitschrift „Psychologie heute“ und ein rotes Notizbuch, in das er gerade so vertieft schreibt, dass er mein Eintreffen gar nicht bemerkt.
Forsch trete ich näher und spreche ihn an.
„Guten Morgen! Schön, dass Sie gekommen sind, danke.“
Meine Worte lassen ihn hochfahren, offenbar hab ich ihn erschreckt. Sehr lustig, üblicherweise ist das wohl eher umgekehrt der Fall.
„Ja, ja, ist mir eh nicht ganz leicht gefallen, aber ich dachte mir, dass es vielleicht gut wäre, wenn die Menschen wüssten, wie es uns so geht!“
Uns? Ich frage nach, was er genau meint.
„Ich bin seit 5 Jahren Vorsitzender der IKU (International Krampus Union) mit weit über 20.000 Mitgliedern aus 67 Ländern. Der Vorstand hat mich autorisiert, mit Ihnen zu sprechen, anonym natürlich, denn wir müssen sehr vorsichtig sein.“
Mein Bloggerinnenherz hüpft vor Erwartung im Karree, hier könnte eine spannende Geschichte auf mich warten. „Was sind denn Ihre größten Probleme?“, frage ich neugierig.
„Tja, wo soll ich beginnen,“ seufzt er. „Eigentlich ist es die Akzeptanz. Und die Selbstdefinition. Die Abgrenzung von den Perchten wird auch immer schwieriger. Wissen Sie, dass wir noch unbeliebter sind, als Politiker und Journalisten? Und wen wundert`s? Versuchen Sie doch, eine englische Übersetzung für uns zu finden! Krampus = Muscel cramp (Muskelkrampf, ernsthaft!), devil (Teufel), incubus (Albtraum)….“
Während ich seinen Jammersermon über mich ergehen lasse, betrachte ich den Kerl einmal genau. Der zottelige Kopf mit dem ungepflegten Fall, in dem sich einige Disteln verfangen haben, aus dem braunschwarzen Gesicht leuchten blutunterlaufene, rote Augen und die Zähne sind unbeschreiblich. Dann diese Hände! Grauenvoll, mit viel zu langen, dunkelgrauen Fingernägeln. Wer immer diese Maske produziert hat, darf wahrlich als MeisterIn bezeichnet werden.
„… dabei wollen wir doch auch nur geliebt werde, so wie jedes normale Wesen. Und eine Frau zu finden ist fast…“
Ich falle ihm harsch ins Wort.„Also bitte, mit Verlaub, wann haben Sie das letzte Mal in den Spiegel geschaut? Nehmen Sie die Maske ab und schlüpfen sie aus dem Kostüm, dann ist wohl alles wieder gut!“
Ein tiefes Stöhnen entfährt seiner Brust und gleichzeitig wischt er wütend mit dem Arm über unseren Tisch. Teetassen, Zeitungen, Notizblock, alles fliegt durch den Raum und krachend auf den Boden.
Er beugt sich in meine Richtung und zischt: „Maske abnehmen, ja?“ Mit beiden Händen reißt er an seinem Fell „Das ist keine Maske, was denken Sie denn! Alles echt!“
Ich spüre, wie mir Eiseskälte den Rücken hinunterschauert.
„Bitte sagen Sie das der Welt. Wir wollen nicht mehr die Bösen sein, die zwischen Absperrungen durch die Stadt getrieben werden, weil man sich so vor uns fürchtet. Wir sind lieb! Ein normales Leben wünschen wir uns, das steht uns doch zu, oder nicht?“
Seine Stimme ist in leises Schluchzen übergegangen und mein Mitleid steigt minütlich. Kann man sich das vorstellen? 20.000 verkannte, gefürchtete Wesen?
„Was macht eigentlich der Nikolaus für Euer Image,“ frage ich mitfühlend.
„Nichts. Genau nichts. Der Nikolaus überhöht seine Gutherzigkeit, seine Würde und seinen guten Ruf auf unsere Kosten. Er scheucht uns herum und spielt den Beschützer der Menschheit. Widerlich ist das. Solange es diese Zunft gibt, werden wir unseren schlechten Ruf nie los.“
In dieser Sekunde beschließe ich, zu helfen.
Wir unterhalten uns noch ein paar Minuten und dann eilen wir davon. Jeder mit einer Aufgabe in der Tasche.
Fortsetzung folgt.
He, he, Fake! Der Krampus sitzt hier bei mir. Interview erfunden.
Bussi.
DSGVO, ho, ho, ho, ho …